Leben in Longo maï

Wir leben in einer widersprüchlichen Zeit: Informationsflut, der Austausch über soziale Netzwerke vervielfältigt und beschleunigt sich, die direkten sozialen Beziehungen werden seltener und oberflächlicher, der soziale Zusammenhang schwindet, die Menschen vereinzeln und ein Gefühl von Sinnlosigkeit schleicht sich ein.

Was tun? Es gibt keine ideologischen Antworten auf diese Entwicklungen, doch im Gemeinschaftsleben findet Longo maï jedoch vielleicht einen Weg: In den Kooperativen eignen sich Frauen und Männer Fähigkeiten an und lernen Dinge wieder selbst herzustellen, sie organisieren sich, arbeiten und essen gemeinsam. «Wir sind offen für alle, die mit uns teilen und sich gegenseitig unterstützen wollen», lautet eines der Credos von Longo maï. Konfrontiert mit der Perspektivlosigkeit und dem Rückzug ins persönliche Schneckenhaus entschied sich die Longo maï-Bewegung für Kreativität, für die Rückgewinnung von Raum und Wissen, für das generationenübergreifende Zusammenleben und den Willen, Steine zu versetzen.

 

Im Laufe der Jahre hat Longo maï auf den kollektiven Baustellen viele Steine zu Mauern zusammengefügt, um in den Kooperativen Häuser und Ställe zu bauen. Auf anderer Ebene wurde versucht, jene symbolischen Mauern einzureissen, die von den politischen Institutionen und den profitorientierten multinationalen Unternehmen aufgezwungen werden und abschneiden von allem Lebendigen. Das Widerspenstige und mit ihm die Utopie ist der Bewegung in all den Jahren nicht abhanden gekommen. Die Utopie der Longo maï-Pioniere und -Pionierinnen aus den 1970er-Jahren und ihrem Geist der Solidarität, der Neugier auf die Welt und des Wunsches nach gerechteren Gesellschaftsformen, ist im Laufe der Jahrzehnte durch immer neue Kräfte mit rebellischem Geist verstärkt worden. Mit eigenen Projekten und der Unterstützung für andere versucht Longo maï immer neue Wege zu finden, um sanfte und einfach vermittelbare Technologien zu fördern, erneuerbare Energien in kleinen Anlagen nutzbar zu machen, Selbstorganisation und Partizipation umzusetzen, Besitz zu vergemeinschaften sowie gegenseitige Hilfe zu leben. Offenheit ist dabei ein Wert, der sich durch viele Bereiche zieht: Offenheit gegenüber Handwerker_innen sowie Bauern und Bäuerinnen in der Umgebung der Kooperativen; Offenheit durch die Ansiedlung der Kooperativen in benachteiligten, dünn besiedelten Regionen; Offenheit gegenüber anderen Kulturen durch Solidarität mit Menschen in Krisen- und Kriegsgebieten in vielen Teilen der Welt. Offenheit gegenüber jungen Menschen, die Longo maï besuchen und denen selbst organisierte Ausbildungen angeboten werden. Der Empfang war und ist immer ein wichtiger Baustein der Longo maï-Bewegung.

In Longo maï wird all das von Geselligkeit begleitet, von der Freude am Teilen und am Feiern. Die ausgelassenen Feste auf den

Longo maï-Kooperativen sind weit in der Umgebung für ihre schöne Stimmung bekannt. Feste, die kein Ende finden, ausser der Rückkehr zum Alltag und zum gemeinsamen Leben auf den Kooperativen, das, so hoffentlich, kein Ende nehmen wird.

Und so bleibt die Bewegung ihrem provenzalischen Namen treu: Longo maï – das bedeutet: «Es möge lange dauern...»

Leben in der Kooperative